Wie werden klinische Studien durchgeführt

Wie werden klinische Studien mit Arzneimitteln durchgeführt?

Die Entwicklung eines Arzneimittels durchläuft verschiedene vorklinische (im Labor oder am Tier) und klinische Studienphasen (am Menschen). Klinische Studien heißen auch dann „klinisch“, wenn sie nicht in einer Klinik, sondern einer Arztpraxis stattfinden. Man nennt sie auch „klinische Prüfungen“. Eine Klinik, ein Krankenhaus oder eine Praxis, in der eine klinische Studie stattfindet, heißt deshalb auch „Prüfzentrum“, und die mitwirkenden Ärzte heißen „Prüfärzte“ oder „Prüfer“.
Klinische Studien unterliegen strengen Richtlinien. Sie sind in verschiedene Phasen unterteilt.

Phase I

Bei der Erstanwendung beim Menschen muss besonders vorsichtig vorgegangen werden, da zu dem Zeitpunkt nur Daten aus Tierversuchen vorliegen, deren Übertragbarkeit auf den Menschen mit einem Rest an Unsicherheit behaftet ist. Ziel dieser Studien ist es, herauszufinden, wie der neue Arzneistoff vom menschlichen Körper aufgenommen und ausgeschieden wird. Aus diesem Grund sind zahlreiche Untersuchungen in der Einmaldosierung notwendig. Die Phase I-Studien werden im Allgemeinen an gesunden Probanden durchgeführt. Nur wenn es um die Behandlung schwerer Erkrankungen geht und dabei schwere Nebenwirkungen zu erwarten sind, werden diese Therapien ausschließlich Patienten angeboten, für welche die neue Behandlungsmethode vielleicht eine neue Chance darstellen kann. Teilnehmer der Phase-I-Studien werden besonders intensiv betreut, und bei inakzeptablen Nebenwirkungen wird die Behandlung sofort abgebrochen.

Ca. 20-80 Personen.
Dauer: Wochen bis Monate

Phase II

In der Phase II wird ein Medikament zum ersten Mal bei Patientinnen und Patienten überprüft, die an jener Erkrankung leiden, für die die Zulassung angestrebt wird (z.B. Diabetes). Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Ist die neue Substanz wirksam? Wie wird sie vertragen? Welches ist die geeignete Dosierung? Auch in dieser Phase werden die Teilnehmer sehr sorgfältig kontrolliert und die Behandlung – wenn nötig – sofort abgebrochen.

Ca. 50-200 Personen.

Phase III

Groß angelegte Phase III-Studien sind Studien, die mit darüber entscheiden, ob ein Medikament tatsächlich auf den Markt kommt oder nicht. Sie geben relativ präzise Auskunft über Wirksamkeit und Verträglichkeit und finden unter annähernd praxisnahen Bedingungen statt, wobei Patienten immer noch engmaschig kontrolliert werden. Damit bleibt das Risiko für Studienteilnehmer gering, und sie profitieren von der intensiven medizinischen Betreuung. Klinische Studien der Phase II und III beziehen immer (mindestens) eine Kontrollgruppe in die Untersuchung ein. Die Wirksamkeit des Prüfpräparats wird mit der Wirksamkeit der Standardtherapie (der bisher gebräuchlichen Behandlung der entsprechenden Krankheit) oder, falls es diese nicht gibt, mit der Wirkung eines Placebos (Scheinmedikament) verglichen.

Ca. 200 – 10.000 Personen.
Dauer: Monate bis Jahre

Phase IV

Klinische Studien der Phase IV werden durchgeführt, nachdem das Arzneimittel durch die zuständigen Behörden zugelassen wurde. Sie dienen meist der weiteren Risiko-Nutzen-Abschätzung an größeren Patientenkollektiven. Dabei rücken vor allem auch spezielle Patientengruppen in die engere Auswahl, wie z. B. Kinder, ältere Menschen oder Patienten, die an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden. Zudem sollen selten auftretende Nebenwirkungen erfasst werden.

Ab ca. 1000 – Millionen Personen.
Dauer: Jahre

Patientenzahl und Studiendauer wachsen also von Phase I bis Phase IV kontinuierlich an.
Ein weiterer Studientyp sind sogenannte Therapieoptimierungsstudien: Damit wollen Mediziner schon etablierte Behandlungsstrategien durch Anpassungen und kleine Veränderungen verbessern.

Kontrollierte Studie als Goldstandard

Größere Interventionsstudien sind häufig so genannte „kontrollierte“ Studien, bei denen die neue Behandlung mit einer anderen Behandlung oder mit einer Scheinbehandlung, einem Placebo, verglichen wird. Dieser Vergleich ist wichtig, um den tatsächlichen Effekt einer Behandlung abschätzen zu können.

Was versteht man unter Randomisierung und Verblindung?

Kontrollierte Interventionsstudien werden häufig randomisiert durchgeführt. Randomisierung bedeutet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie per Zufallslos in die unterschiedlichen Studiengruppen eingeteilt werden. Die Gruppe, in der die neue Behandlung zum Einsatz kommt, wird „Verumgruppe“ oder „Behandlungsgruppe“ genannt. Die Gruppe, mit der die neue Behandlung verglichen wird, ist die „Kontrollgruppe“. Ist die Studie groß genug, dann gewährleistet die Zufallsverteilung, dass die Patientinnen und Patienten in beiden Gruppen ähnliche Eigenschaften haben. Nur dann sind die Ergebnisse auch wirklich miteinander vergleichbar.
Verblindung ist ein weiterer wichtiger Begriff. Er bedeutet, dass die Patientinnen und Patienten nicht wissen, ob sie in der Behandlungsgruppe oder in der Kontrollgruppe sind. Bei einer doppelten Verblindung weiß auch der Prüfarzt nicht Bescheid. Eine Verblindung soll verhindern, dass die Ergebnisse klinischer Studien durch Suggestionseffekte verfälscht werden.

Welche Besonderheiten gelten für klinische Studien mit Medizinprodukten?

Da auch Medizinprodukte (z.B. Insulinpumpen oder Glukosesensoren) einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen, müssen für Sie ebenfalls Nachweise erbracht werden, z.B., dass sie die grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit und Leistungsfähigkeit erfüllen und ein positives Nutzen-Risiko Verhältnis haben. Anders als bei Arzneimitteln, die pharmakologisch (auf die Wirkung von Medikamenten bezogen), immunologisch (das Immunsystem betreffend) oder metabolisch (stoffwechselbedingt) wirken, wird die bestimmungsgemäße Hauptwirkung bei Medizinprodukten primär auf physikalischem Wege erreicht. Entsprechend müssen derzeit nur für Medizinprodukte, die zum Einbau in den Menschen vorgesehen sind und die ein hohes Risikopotential aufweisen, klinische Studien durchgeführt werden. Auch eine Einteilung nach Studienphasen wie bei den Arzneimitteln gibt es nicht.